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George Williams

DIE GRÖßE DES KLEINEN ANFANGS:
GEORGE WILLIAMS UND DIE GEBURTSSTUNDE DES CVJM 

 

Um den Anfängen der CVJM-Geschichte auf die Spur zu kommen, müssen wir nach England in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts reisen. Es ist das Zeitalter der industriellen Revolution: Erfindungen wie z. B. die Dampfmaschine oder der mechanische Webstuhl führen dazu, dass Stoffe nicht mehr langwierig mit der Hand, sondern industriell mit Maschinen als Massenproduktion hergestellt werden können. Innerhalb weniger Jahrzehnte entstehen in England überall Fabriken. Davon angezogen, ziehen viele Menschen – hauptsächlich Männer – aus ländlichen Regionen in die Städte, um etwas vom Kuchen der Industrialisierung abzubekommen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 

Ein unscheinbarer Junge mit großer Perspektive


In diese Zeit bahnbrechender industrieller und gesellschaftlicher Entwicklungen wird am 11. Oktober 1821 George Williams geboren, der Jahre später als Vater des CVJM in die Geschichte eingeht. Als jüngster von acht Söhnen wächst er auf der AshwayFarm im Südwesten Englands auf, die seine Eltern als Pächter bewirtschaften. Sein Vater Amos ermöglicht ihm den Besuch einer Internatsschule: ein Vorrecht. Seine Schulzeit erlebt der kleine George weniger als Privileg, sondern – aufgrund der Trennung von seiner Familie und des rauen Umgangs innerhalb der Schule – eher als entbehrungsreiche und leidvolle Zeit. George kehrt nach seiner Schulzeit mit 13 Jahren wieder auf die Farm seines Vaters zurück und versucht sein Glück als Bauer. Das fällt ihm aber aufgrund seiner körperlichen Statur äußerst schwer. Eines Tages fährt er aus Unachtsamkeit ein Pferdegespann samt der Ladung Heu abseits des Weges in einen Graben. Er scheint auch in seinen Gedanken nicht immer bei der Arbeit zu sein. Sein Vater erkennt, dass der 15-jährige George nicht für das Bauernleben bestimmt ist und erlaubt ihm, eine Lehre als Tuchhändler in Bridgewater zu beginnen. Eine richtige Entscheidung, wie sich herausstellen wird: Die Tätigkeiten eines Tuchhändlers entsprechen eher seinen Gaben und Fähigkeiten. Sein soziales Wesen im Umgang mit seinen Mitmenschen und sein kaufmännisches Talent sind von großem Nutzen und verschaffen ihm Anerkennung bei seinen Arbeitskollegen. In dieser Zeit findeter zudem seine geistliche Heimat in einer christlichen Gemeinde, der Zions-Chapel. 

Die soziale Lage in London als Ausgangspunkt christlicher Vereinsarbeit

 

Im Oktober 1841 geht George Williams nach London, um dort eine Stelle als Handelsgehilfe bei Hitchcock & Rogers anzutreten. Im Alter von nur 20 Jahren findet sich George nun in der damals wichtigsten und größten Handelsstadt der Welt, dem Mekka des Tuchhandels, wieder. Der Alltag in London ist für George und die anderen 130.000 Angestellten kein Zuckerschlecken. Eine sechsTage-Woche mit 13 bis 16 Arbeitsstunden pro Tag ist keine Seltenheit. Die vielen jungen Männer sind nachts in kleinsten Schlafräumen zusammengepfercht und weit weg von ihren Familien sich selbst überlassen. Nicht wenige kommen ohne ihre gewohnten sozialen Bindungen auf die schiefe Bahn, suchen einen Ausgleich im Alkohol und stecken in existenziellen Schwierigkeiten. George Williams ist jedoch anders: Er besucht in seiner Freizeit eine christliche Gemeinde, die ihm Orientierung und Halt in dieser schwierigen Umgebung gibt. In seiner Handelsfirma ist er durch seine freundliche und hilfsbereite Art bei seinen Kollegen schnell beliebt und anerkannt. Mit einigen seiner Arbeitskollegen trifft er sich zum Austausch über die Bibel und zum Gebet. Der christliche Einfluss hat auch Auswirkungen auf seinen Chef George Hitchcock, der die Aktivitäten von George Williams immer mehr unterstützt und eine morgendliche Andacht für alle Angestellten einführt. Zudem verringert er die tägliche Arbeitszeit auf sieben Stunden. Im Juni 1844 geschieht das, was man den Startschuss der CVJM-Arbeit nennen kann: Eine Gruppe von jungen Männern um George Williams trifft sich in der Firma von Hitchcock & Rogers, um gemeinsam zu überlegen, was man gegen die katastrophalen Arbeitsbedingungen in London und für die vielen jungen Männer tun kann, die kaum Orientierung in ihrem Leben haben. Das Ergebnis dieser Beratungen ist die Gründung der ersten Young Men's Christian Association (YMCA, auf Deutsch: CVJM). Sie wollen durch ihre Vereinsgründung christliche Männer zu gemeinsamen geistlichen Treffen zusammenbringen und ihnen ihre gesellschaftliche Verantwortung bewusst machen, das heißt, dass sie unter den zugezogenen Männern in London missionarisch tätig werden und damit die gesellschaftliche Lage verbessern. 

Aus einem Verein wird eine weltweite Bewegung


George Williams und seine Gefährten finden Nachahmer. Innerhalb eines Jahres werden in verschiedenen Stadtteilen und in anderen Städten Englands weitere CVJM gegründet. Auch in anderen Ländern, unter anderem in Deutschland, werden christliche junge Männer von dieser Idee erfasst. Zehn Jahre später am 22. August 1855 treffen sich zur
Weltausstellung in Paris 99 Männer aus neun verschiedenen
Ländern, um den CVJM-Weltbund zu gründen und die Pariser Basis der weltweiten CVJM Arbeit zu verabschieden: „Die Christlichen Vereine Junger Männer haben den Zweck, solche jungen Männer miteinander zu verbinden, welche Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam danach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter jungen Männern auszubreiten.“ 

Ein bescheidener Nationalheld


George Williams lebt weiterhin bescheiden in London. Er spendet zwei Drittel seines monatlichen Einkommens, um andere zu unterstützen. Er setzt sich weiterhin aktiv sozialpolitisch für bessere Arbeitsbedingungen von Arbeitern und Angestellten ein. Für sein Lebenswerk wird er 1894 von Königin Viktoria geehrt und sogar zum Ritter geschlagen. Er stirbt am 6. November 1905 in London und wird in der St Paul‘s Cathedral beigesetzt. In der berühmten Londoner Westminster Abbey, in der traditionell die englischen Könige gekrönt und beigesetzt sowie Hochzeiten der königlichen Familie gefeiert werden, wird George Williams zu Ehren ein Kirchenfenster mit seinem Porträt und dem YMCA-Dreieck gestaltet.

Sein Vermächtnis für uns heute


Heute steht der YMCA bzw. CVJM allen Menschen – Mädchen und Jungen, Frauen und Männern – offen. Mit mehr als 45 Millionen Mitgliedern ist der YMCA die weltweit größte christlichökumenische Jugendorganisation und in 120 Ländern der Welt vertreten.
Das Anliegen von George Williams ist noch heute aktuell: Er lebte dafür, gemeinschaftlich Glauben zu leben, seinen Mitmenschen den christlichen Glauben als sinnerfüllendes Lebenskonzept zu vermitteln, soziale und gesellschaftliche Missstände zu bekämpfen und der Verrohung in der Gesellschaft entgegenzuwirken. 

Text: CVJM Deutschland
Der Text basiert auf dem Buch
„Die Größe des kleinen Anfangs.
Eine Idee läuft um die Welt“
von Siegfried Fischer.